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Den Müll anderer Leute aufheben? Für Martin Eibeler als einer der aktivsten Teilnehmer der #hikeuppickup Müllsammeltouren eine Einstellungssache.

Text und Fotos: Hanna Bär, alpinwelt 3/2023


„Martin, da ist ein Schuh“, ruft eine der Teilnehmerinnen der Müllsammelaktion. Martin Eibeler sucht gerade rund 50 Meter entfernt eine Wiese unterhalb des Vorderen Hörnles nach Müll ab. „Das ist fast schon paradox. Eigentlich sollte man sich ja freuen, wenn man wenig Müll findet“, hatte Eibeler den eher spärlichen Sammelerfolg zu Beginn der Tour kommentiert. Und so ein kleines bisschen blitzen seine Augen nun auf, als er zur Fundstelle gerufen wird. Eine Schuhsohle steckt tief in der ausgetrockneten Erde. Eibeler macht sich ans Werk: Mit Händen und Zange wird mit vollem Körpereinsatz an der Sohle gezogen, gerüttelt und die harte Erde außenherum weggegraben. Mit Erfolg. Nach gut fünf Minuten ist die Sohle aus der Erde befreit und sie tritt ihre letzte Wanderung in den Müllsack an.


Befreiungsaktion: Mitten in einer Wiese steckt die Schuhsohle noch tief in der Erde.


Der 40-Jährige aus dem Münchner Süden ist bei dieser #hikeuppickup Müllsammeltour etwa zum neunten Mal mit dabei – genau mitgezählt hat er nicht. Was im Jahr 2021 seine erste Tour war, weiß er jedoch noch: ebenfalls das Hörnle. Damals startete der Bergbus gerade in seine erste Saison und er wollte ihn einmal ausprobieren. Im alpinprogramm stieß er auf die Müllsammeltour inklusive Bergbus-Anreise, auch das Datum passte. Seitdem ist er regelmäßig mit dabei.

Das zeigt sich auch direkt zu Beginn der Tour: Eibeler ist vorbereitet und hat eigene Handschuhe und Müllsäcke mit dabei. Diese seien auch bei privaten Wanderungen sowieso im Rucksack. Nur für den Fall. „Gerade auf solchen Hausbergen mit vielen Besuchern findet sich leider auch viel Müll – besonders im Umkreis von Bänken und Aussichtsplätzen“, so der erfahrene Sammler. Und mit aufmerksam nach unten gerichtetem Blick entdeckt er auch heute viele bereits halb verrottete Zigarettenstummel, die sich im grauen Schotterumfeld der Bänke perfekt tarnen. Berührungsangst hat Eibeler dabei keine: Sind die Bänke belegt, sammelt er einfach um die pausierenden Wanderer herum. Für ihn sei das Gesehenwerden ein wichtiger Teil der Müllsammeltouren: Er hoffe auf einen Lerneffekt und dass den Menschen das Müllproblem bewusst werde. Denn wenn es nur darum gehe, den Müll aufzusammeln, müsste es noch viel mehr solcher Touren geben.


»Gerade auf Hausbergen mit vielen Besuchern findet sich leider auch viel Müll – besonders im Umkreis von Bänken und Aussichtsplätzen.«


Gezielt zu den Klobäumen

Neben Zigarettenstummeln, Kronkorken, Flaschen und allen möglichen Plastikverpackungen zählen benutzte Taschentücher zu den häufigsten Fundstücken. Besonders um Bäume und lichtes Gebüsch in Wegnähe herum sind sie zu finden. Solche Klobäume geht er gezielt an, häufig leider mit Erfolg. „Meistens findet man dort nicht nur ein Taschentuch. Liegt dort bereits eines, scheint die Hemmschwelle für andere auch geringer, ihres dort liegen zu lassen“, schätzt Eibeler, der keine Hemmungen hat, solche Hinterlassenschaften einzusammeln.

Bei Taschentüchern spekuliert Eibeler auf das Unwissen der Täter und Täterinnen. „Vielleicht wissen diese Menschen einfach nicht, wie lange ein Taschentuch braucht, um zu verrotten“, mutmaßt er. Durch Bleichmittel und chemische Behandlungen sind Taschentücher eben nicht nur Papier. Andere Fundstücke zeugen jedoch nicht von möglichem Unwissen, sondern von mutwilligem Verhalten. „Bei einer verschlossenen Packung Taschentücher ist wahrscheinlich, dass sie aus Versehen aus dem Rucksack gefallen ist, bei einem zerbrochenen Wanderstock ist das etwas anderes“, so Eibeler. Ähnlich sei es bei Schuhsohlen, Flaschen oder Plastikverpackungen – für ihn unverständlich, dass so etwas am Berg liegen bleibt. Und so hat er auch auf die Frage, warum es Menschen gibt, die ihren Müll in den Bergen liegen lassen, und es dann solche wie ihn braucht, diesen wieder aufzusammeln, keine einfache Antwort parat. „Die Leute gehen in die Berge und man könnte dadurch meinen, sie wären naturverbunden. Dass sie dann ihren Müll einfach liegen lassen, das verstehe ich gar nicht“, so Eibeler. Für ihn sei das eine Einstellungssache.

Besonders während der Coronapandemie habe sich das auch in den Scharen an Menschen gezeigt, die das Wandern neu für sich entdeckt haben. Seiner Einschätzung nach habe sich die Müllmenge mit der Anzahl der Menschen, die in die Berge gehen, potenziert. Zudem erfüllten die Berge vielleicht auch eine andere Funktion, als nur Natur zu sein.


Suchend mit nach unten gerichtetem Blick – so sieht man Martin Eibeler fast die gesamte Tour über.


Sich selbst würde er nicht als eingefleischten Öko bezeichnen. „So einen kleinen Beitrag zum Naturschutz kann aber jeder tun“, meint Eibeler, der als Weinhändler und nebenher als Verkäufer für eine Bio-Gärtnerei aus der Region auf einem Wochenmarkt arbeitet. Hier wurde er zu Beginn der Coronapandemie vom Kunden zum Angestellten. Die Müllsammeltouren sind für ihn eine doppelte Gelegenheit zum Engagement: für die Umwelt und als aktives Mitglied in seinem Verein. Auch bei anderen Arbeitstouren, wie beispielsweise dem anstrengenden Schwenden, hat Eibeler schon mitgeholfen. Im Vergleich dazu „sind die Müllsammeltouren einfach ein netter Wanderausflug“, so Eibelers Fazit für alle, die mit dem Gedanken spielen, sich auch einmal im Rahmen einer Arbeitstour einzubringen.

Die Schuhsohle bleibt an diesem Tag der spektakulärste Fund. Im Abstieg auf dem viel begangenen Weg unterhalb der Hörnlebahn kann jedoch noch eine Menge an Müll aufgesammelt werden. Am Ende ist Eibelers 35-Liter-Sack über zwei Drittel gefüllt, ebenso wie vier weitere Müllsäcke der Gruppe. Nach dem spärlichen Beginn der Tour eine respektable Menge für einen Tag, wie auch Eibeler findet.