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Mit anderen Augen

Familientour: Von Dortmund an den Spitzingsee


Öffentlich zum Spitzingsee: Für Münchner machbar, aber nicht immer gern gemacht. Aber von Dortmund aus? Als alleinerziehende Mutter mit zwei kleinen Kindern? Sabrina Aschmoneit hat es durchgezogen.

Text und Fotos: Sabrina Aschmoneit

 


03:50 Uhr, Dortmund Hauptbahnhof: Auf zum Spitzingsee!

 

Anreise: Dortmund – Spitzingsee

02:00 Uhr. Der Wecker klingelt. Vor Aufregung zog sich das Einschlafen trotz frühem Zubettgehen ewig lange hin. Insgesamt kamen der Große und ich auf ca. vier Stunden Schlaf. Um 03:00 Uhr holen uns meine Eltern ab und bringen uns nach Dortmund zum Bahnhof. Dank des Blitzers vor dem Bahnhof eine teure Taxifahrt.

Sitzplätze hatte ich im Familienbereich reserviert, so gab es auch keine Beschwerden und Augenverdrehen der anderen Fahrgäste. Überhaupt verlief die Zugfahrt ohne größere Probleme. Nur das Bordbistro war wegen einer technischen Störung geschlossen. Damit war auch das dort deponierte Kindergeschenk unerreichbar – Kinder erhalten vom Schaffner ein Kinderticket, mit dem sie sich im Bordbistro einen kleinen Spielzeugzug und ein Heft abholen können. Der Fünfjährige (na gut, in ein paar Tagen sechs) meisterte die fünf Stunden im ersten ICE super, dank Tablet und WLAN im Zug. Der Kleine (2,5 Jahre) wurde irgendwann müde, kam aber nicht in den Schlaf. Er lief gerne den Gang auf und ab, und auch im größeren Freibereich tobten die beiden Kinder zwischendurch. Klar, dass beide Kinder bei fünf Stunden mal unruhig und muffig werden. Aber Weingummi-Schnüre konnten die Stimmung schnell heben. Insgesamt eine ganz gute Fahrt.

Beim Umstieg in Nürnberg, ein Bahnmitarbeiter half ungefragt beim Umladen des Gepäcks, fiel der Satz der Sätze: „Mama, ich muss aufs Klo.“ Schweißausbrüche, aber mit Einhalten konnte alles auf den nächsten ICE nach München vertagt werden. Ein weitaus schönerer ICE, und diesmal waren auch andere Kinder im Familienabteil. Taschen abgelegt und dann, ab zur Toilette … oh nein. Toiletten gesperrt. Ab zur nächsten Toilette – geöffnet. Puh. Dann noch die Kindertickets im Bordbistro eingelöst, und endlich war der Kleine so weit. Er legte sich direkt quer auf die Sitzbank und schlief ein. Der Große vergnügte sich währenddessen mit den anderen Kindern im Zug und ich hatte etwas Luft zum Durchatmen.

In München angekommen bekam ich den Kleinen kaum wach, also ab in die Trage. Eine gute Idee, denn der Bahnhof in München war voll – alleine mit zwei Kindern, von denen eins gerne abhaut, wirklich anstrengend ohne Trage. Nach der obligatorischen Mittagspause bei McDonaldʼs (gehört in jedem Urlaub dazu, die Kinder wissen es und fordern es ein), bei der unsere Bestellung nicht auf dem Monitor erschien, sondern eine halbe Stunde lang fertig auf dem Tresen stand, ohne dass jemand Bescheid gesagt hätte, weiter zum Regionalbahngleis. Dort wurden die Kinder unruhig. Und das in der Nähe der Bahngleise. Der Horror. Aber ein großer Dank an „Medizini“: Dort gab es für diesen Monat ein Beilagenposter zum Thema „Was läuft falsch am Bahnhof?“ Und so konnten wir mit der Suche nach 30 Fehlern die Wartezeit bis zu unserem Zug überbrücken.


Beste Aussichten: nach der langen Zugfahrt erst mal die Beine vertreten

 

Mit der Regionalbahn fuhren wir dann nochmal knapp eine Stunde, um dann schnell zur Bushaltestelle zu laufen. Die Umsteigezeit sind genau drei Minuten. Wir also schnell raus aus dem Zug und die Bushaltestelle gesucht. Um dann festzustellen, dass der Bus zwar in der Stunde davor in unsere Richtung fuhr, und in der Stunde danach ebenfalls, aber nicht in der Stunde, zu der wir ankamen. Ahja. Als „Großstädter aus dem Ballungsgebiet“ ist man so etwas nicht gewohnt. Vor allem nicht, wenn damit geworben wird, dass es nun eine tolle Verbindung von München in die Berge gibt. Was sollʼs. Es gab am Bahnhof eine Taverne. Also rein und nach Eis gefragt. Ja, haben sie. Die Kinder wählten jeweils einen Becher (mit 150 ml). Mir fiel alles aus dem Gesicht, als die Bedienung „sieben Euro“ sagte. Was soll’s, Oma hatte Eisgeld mitgegeben. Hauptsache, die Kinder sind ruhig, während wir eine Stunde auf den Bus warten. Auch wenn das Eis nicht mal zur Hälfte aufgegessen wurde, überbrückten wir die Zeit ganz gut – bis der Bus kam, wir schnell unsere Sachen zusammensuchten, Kind zwei losrannte, stolperte, hinfiel und mit dem Gesicht bremste. Mit einer Schürfwunde und einer schönen blauen Beule als Ergebnis. Zum Glück hatten wir Eis zum Kühlen.

Es war dann auch noch der falsche Bus. Stimmung erst mal im Keller, aber weiter geht's. Kurze Zeit später kam der richtige Bus. Viel zu eng für mich mit Rucksack und den beiden Kindern, aber irgendwie kamen wir durch. Nach zehn Minuten ausgestiegen, und dann ging es über eine asphaltierte Straße zur Hütte. Da die Wanderung nun losging, brauchten dafür natürlich beide Kinder ihre Wanderstöcke. Kind 2 lief gemütlich singend: „Die Wanderung fängt an. Wir wandern jetzt. Jetzt beginnt die Wanderung.“ Der Große etwas grummelig, da er im Bus immer wieder eingenickt war und dann noch gegen meinen Rucksack lief. Auch die Fragen, ob ich sein Fernglas, seinen Hammer, seinen Meißel oder denn wenigstens die Becherlupen eingepackt hätte, musste ich verneinen, was die Stimmung nicht hob. 



Mama, ist's noch weit? Die Motivations- Trickkiste sollte ebenso gut gepackt sein wie der Wanderrucksack.

 

Aber dann sahen wir schon das Dach der Hütte. Wirklich keine zehn Minuten von der Haltestelle entfernt. Die letzten Kraftreserven wurden ausgereizt und erst mal der Spielplatz erkundet. Danach schauten wir uns unser Zimmer an und gingen nochmal raus. Um 18 Uhr schliefen dann alle, nach einem langen, anstrengenden, aber – auch wenn es sich nicht immer so liest – super Tag. Ich war sehr stolz auf den Großen, der sich sehr gut an alle Abmachungen hielt, von selbst meine Hand nahm beim Ein- und Aussteigen. Und auch auf den Kleinen, der trotz Müdigkeit nicht übermäßig an meinen Nerven zerrte, sondern ebenfalls sein Bestes gab. Auf mich, dass ich während des ganzen Tages nicht geschimpft habe und wir gemeinsam dieses Abenteuer durchgezogen haben. Die Zugfahrt war meine größte Angst bei der ganzen Reise. Aber, was soll ich sagen: „Mama, ab jetzt fahren wir immer Zug. In den Urlaub. Zur Kita. Zu Oma und Opa. Das macht voll Spaß. Und wir haben voll viel Schmutz für die Umwelt gespart!“

 

Tag 2: DAV-Haus Spitzingsee – Schönfeldhütte

Relativ pünktlich ging es gegen 8.00 Uhr zum Frühstück. Glücklicherweise war für alle etwas dabei, sodass wir gut gestärkt nach dem Bezahlen loswandern konnten. Der Weg führte uns zurück zur Bushaltestelle des Vortages. Schon auf dem Weg kam das erste „Mama, ich kann nicht mehr.“ Mit ein bisschen Motivation konnte ich die Kinder zumindest bis zum Einstieg des Wanderweges auf dem Parkplatz locken. Erste Pause nach zehn Minuten. Na, das kann ja was werden. Nach Fruchtriegeln und einem Schluck Wasser ging es weiter. Über einen leicht felsigen Weg, der beiden Kindern gut gefiel, legte der Große ein ordentliches Tempo vor. Die Sonne brannte voll auf uns ein, sodass der Weg uns schon einiges abforderte.



Kann ich schon allein: Die Wege rund ums Rotwandgebiet eignen sich ideal für Familienausflüge.

 

Da das Gelände nicht zu sehr absturzgefährdet war, durfte der Große so weit vorauslaufen, wie er mich noch sehen konnte. Leider vergaß er im Lauf-Flow wohl nach hinten zu schauen und war weg. Da der Wanderweg gut frequentiert war, bat ich die nächsten Wanderer, die uns überholten, dem Kind bitte auszurichten, dass es auf mich warten solle. An einem schattigen Plätzchen trafen wir uns dann wieder. Mit ein paar kleinen Tränchen, die aus Angst flossen, dass wir uns verloren hätten. Nach kurzem Trösten ging es weiter in den Wald hinein. Endlich Schatten.

 

»Der Große durfte so weit vorauslaufen, wie er mich noch sehen konnte. Leider vergaß er im Lauf-Flow wohl nach hinten zu schauen und war weg.«

 

Es folgten mehrere kurze Pausen, während wir über Wurzeln und Steine immer weiter nach oben stiegen. Über Holzbohlen und Matsche ging es dann langsam aus dem Wald heraus und wieder in die pralle Sonne. Die Stimmung sank rapide. Zum Glück war die Hütte nicht mehr weit entfernt. Nach einer kurzen Schimpferei von uns allen ging es mit der letzten Power zur Hütte, wo es die ersehnte Limo zur Belohnung gab. Und dazu noch einen Kaiserschmarrn mit Apfelmus für alle. Am Abend gab es auf Wunsch der Kinder die mitgeschleppten Cerealien, eine Pfannkuchensuppe („Mama du spinnst ja, Pfannkuchen in der Suppe …“), und einen Schweinebraten mit Knödel. Danach fiel ich müde ins Bett, während die Kinder doch noch ein bisschen Energie hatten. Also noch eine Runde Hörspiel „Dr. Brumm geht wandern“, dann schliefen endlich alle.

Tag 3: Schönfeldhütte – Taubensteinhaus

Am nächsten Morgen gab es ein schönes Frühstücksbuffet, bevor es wieder in die Wanderschuhe ging. Heute halfen die Kinder bereits beim Packen des Rucksacks, rollten die Schlafsäcke ein, suchten Klamotten zusammen und verstauten sie in Tüten, putzten Zähne und falteten Decken zusammen. Dinge, die ich von zu Hause gar nicht kenne. Nach dem obligatorischen Foto vor dem Hüttenschild ging es weiter. Zuerst entlang einer Zufahrtsstraße, vorbei an Kühen. Dem Kleinen kam ein tolles Spiel in den Sinn, mit dem er immerhin den halben Weg alleine meisterte: „Laufe möglichst durch jeden Kuhfladen, der auf dem Weg liegt.“ Über einen Wiesenhang ging es hinauf in den Wald. Eine kurze Pause mit Weingummi, Kindercards und Quetschis sorgte für die nötige Energie zum Weiterwandern. Über Wurzeln und Steintreppen ging es immer weiter bergauf, bis der Kleine nicht mehr konnte. Die Schuhe voll mit Kuhkacke … also Tüten um die Schuhe und dann ab in die Trage.


Viel spannender als jedes Gipfelpanorama: Wer erwischt die meisten Kuhfladen beim Wandern?

 

Zwischendrin gab es immer mal wieder ein „Ich kann nicht mehr“ vom Großen. Aber jeder kleine Regentropfen, der uns traf, spornte uns an, denn im Regen wollten wir nicht wandern. Als wir den Wald dann verließen, fing es doch noch an. Erst nur leicht, aber als es doch immer stärker wurde, machten wir eine kurze Pause, zogen unsere Regenjacken an und streiften den Regenschutz über den Rucksack. Und wie es halt immer so ist: Danach wurde der Regen weniger.

 

»Heute halfen die Kinder bereits beim Packen des Rucksacks, rollten die Schlafsäcke ein, suchten Klamotten zusammen und verstauten sie in Tüten, putzten Zähne und falteten Decken zusammen. Dinge, die ich von zu Hause gar nicht kenne.«

 

Wir ließen die Station der Bergbahn rechts liegen und sahen schon die Hütte. Die letzten Meter, an den Kühen vorbei, liefen sich wie von selbst. Während ihrer Ich-kann-nicht mehr-Phase hatten mir die Kinder eine Belohnung aus dem Kreuz geleiert, die sie natürlich nicht vergessen hatten: „Auf was freut ihr euch denn auf der Hütte?“ – „Auf Cola!“ Und so kamen wir an der Hütte an und es gab ein Skiwasser für die Kinder und eine Cola für die Mama, von der beide einen Schluck probieren durften. Bleibt aber unser Geheimnis. Nach einem kleinen Kaiserschmarrn und einem Gröschtl ging es auf einen kleinen Mittagsschlaf-Spaziergang. Als der Kleine schlief, nutzte ich die Gunst der Stunde und ging duschen, der Große döste bei einem Hörspiel. Es trocknete langsam ab, und die Kinder spielten draußen noch ein bisschen, bis es Abendbrot gab. In der Nacht gewitterte es heftig, aber wir lagen geruhsam im Bett, die Kinder schliefen bereits und wurden auch nicht wach.



Spielplatz Hüttenstube: Auch bei Regen lässt es sich auf dem Taubensteinhaus gut aushalten.

 

Abreise

Am darauffolgenden Tag gab es ein sehr leckeres Frühstücksbuffet. Da der Hüttenwirt am Vorabend erwähnt hatte, dass er einkaufen fahren würde, fragten die Kinder ihn aus, was er denn einkaufe: „Sachen fürs Frühstück und zum Kochen.“ – „Oh, kaufst du Schokokellogs?“ Und, was soll ich sagen: Am nächsten Tag standen Schokokellogs auf dem Tisch. Gestärkt  nahmen wir dann die zehn Minuten zur Seilbahn auf uns. Dort gab es einen netten Spielplatz. Die Kinder spielten noch eine Runde, bevor wir dann mit der Seilbahn ins Tal fuhren. Mit so alten Gondeln bin ich bisher noch nie gefahren. Aber alles ging gut.

Unten musste Mama dann aufs Klo, weshalb wir um drei Minuten den Bus verpassten. Im Anschluss ging es dann, zusammen mit Oma und Opa, ins Legoland. Alles in allem verlief unsere erste Hüttentour fantastisch. Wir waren alle so entspannt und zufrieden. Den Kindern hat es so gut gefallen, dass sie das gerne wiederholen möchten. Ich kann es jedem nur empfehlen, einfach mal den Kopf auszuschalten, auf Bauch und Herz zu hören und das zu tun, was man will. Egal, wie merkwürdig oder verrückt es erscheint. Ich habe das unglaubliche Glück, einen super Bekannten- und Familienkreis zu haben, sodass mich vorab niemand von der Tour abhalten wollte oder Sätze fielen wie: „Bist du dir sicher?”, „Aber das geht doch nicht alleine” oder „Was ist, wenn euch was passiert?” Selbst wenn diese Gedanken einige hatten, haben sie sie für sich behalten. Und darüber bin ich sehr froh.


Zur Person

Sabrina Aschmoneit ist nach einem Schicksalsschlag im Jahr 2021 alleinerziehend. Die Tour im Spitzinggebiet ist sie auch angetreten, um herauszufinden, was sie alles schaffen kann. Nach ihrer Hochzeitsreise von München nach Venedig war ihr klar, dass sie ihre Stärke in den Bergen finden muss.