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„Schmugglerwege“ sind heute oft ein Werbebegriff alpiner Tourismusverbände. Im Montafon stellt das „teatro caprile“ dagegen Schicksale von Flüchtenden während der NS-Diktatur an den Originalschauplätzen nach. Ein Theaterbesuch in Wanderstiefeln
Text: Franziska Horn, Titelbild: Stefan Kothner – Montafon Tourismus GmbH, Schruns
Wer das Gargellental hinauffährt und auf das Schlappiner Joch, das Sarotla-, das Gafier- oder das St. Antönier Joch steigt, schaut hinüber ins Prättigau, Graubünden. In die rettende Schweiz also, während der NS-Diktatur ein Synonym für Freiheit, Überleben, Zukunft. Heute, im Jahr 2024, kann man per Webcam auf die Pässe hoch über dem Bergdorf Gargellen schauen und auf jene Pfade, die einst als Fluchtrouten dienten. Pfade, auf denen über zahlreiche Schicksale sowie über Leben und Tod entschieden wurde. Heute befördern die Bergbahnen Gargellen Tausende Touristen ins Ski- und Wandergebiet, hinauf zum Schafberg und auch zum beliebten „Schmugglerweg“, der rund um die Gargellner Köpfe auf die Schweizer Seite hinüberführt. Ein Gedankenspiel: Hätte es diese Webcams vor gut 80 Jahren gegeben, sie hätten hochdramatische Szenen live aufgezeichnet.Szenen wie diese hier, zum Beispiel am Aufstieg zum Sarotlajoch, wo die bewirtschaftete, über 600 Jahre alte Ronggalpe auf 1596 Metern Höhe liegt. Davor ein Stall mit einer tief einbetonierten Mistgrube, an einer Wand die Zahl 1938 eingeritzt. In einer Ecke der sonst leeren Grube kauert ein Mensch, die Kleidung nass und zerrissen, am Boden steht das Wasser zentimeterhoch. Wanderer kommen näher, versuchen zu verstehen. Zitternd, frierend und verloren, so drängt sich die Frau tastend an der Wand entlang, Blicke vermeidend, verlassen und allein.Minutenlang dauert diese so zögernd wie dringliche Suche nach einem Ausweg. Das Zuschauen? Beinahe unerträglich. Bis sich die Frau mit dem roten Haarschopf langsam an einer Wand hochzieht, nach dem Rand der Grube fasst – und zwei, drei beherzte Zuschauer der Theaterszene zupacken, die Schauspielerin herausziehen und so die Szene auflösen.
„Geht mich das überhaupt was an? Bin ich nicht nur Zuschauer?“ Schauspielerin Maria King auf der Ronggalpe
Foto: Franziska Horn
Die Frau fällt erst auf die Knie, dann flieht sie über den Berghang, in ihrer Rolle bleibend, während eine zweite Schauspielerin mit Zitaten aus Franz Werfels Romanfragment „Cella oder Die Überwinder“ den Vorgang ergänzt und verbalisiert: „Erniedrigung macht niedrig, das ist ein Seelengesetz“, spricht Katharina Grabher eindringlich. Eine Szene, die für das Ausgrenzen und Verfolgen von Juden während des Dritten Reichs stehen mag – und ebenso für Verfolgte der ganzen Welt, zu allen Zeiten.
Die Sardinenbüchse als Eintrittskarte
Zurück bleiben die rund 50 Zuschauer im Hier und Heute. Einer schnäuzt sich. Räuspern. Stille. Verlegenheit. Manch einer kann kaum die Tränen halten. Keiner kann sich diesen Fragen entziehen: Was hätte ich tun sollen? Geht mich das überhaupt was an? Bin ich nicht nur Zuschauer? Diese von der Tänzerin und Choreographin Maria King in der Mistgrube so intensiv gepielte Szene gehört zu den stärksten von insgesamt zwölf kurzen Stücken, die das „teatro caprile“ rund um Andreas Kosek und Katharina Grabher im Rahmen der Montafoner Theaterwanderung „Auf der Flucht“ zeigt. Die Wanderung beginnt im historischen Hotel Madrisa in Gargellen und zieht sich dann über 500 Höhenmeter den Berg hinauf, durchaus steil und anstrengend – und das nicht nur physisch.Denn die Spielszenen beruhen auf tatsächlichen Schicksalen, auf echten Menschen, die wirklich an genau diesen Orten versuchten, ihr Leben über die Pässe des Montafon in die Schweiz zu retten. Die gesprochenen Texte gehen auf Schriften von Jura Soyfer, Franz Werfel und anderen zurück.Soyfer etwa wurde 1912 geboren und stammte aus einer Familie russischer Juden, die 1920 über Georgien und Konstantinopel nach Wien floh, wo Jura der links-intellektuellen Szene angehörte und Stücke, Gedichte und Zeitungsartikel verfasste. Als Kommunist schon zuvor einmal inhaftiert, reiste er einen Tag vor dem „Anschluss“ Österreichs am 13. März 1938 mit seinem Freund Hugo Ebner per Zug von Wien nach Bludenz. Das Ziel: die Montafoner Grenze zum Prättigau.
Von Schruns steigen sie mit Skiern nach Gargellen auf. Unterwegs werden sie von Gendarmen kontrolliert, die in einem der Rucksäcke eine in Zeitung eingewickelte Sardinenbüchse finden und diese willkürlich als Anlass nehmen, beide Männer zu verhaften – etwas „Gedrucktes“ dabei zu haben, genügte als Grund, sie festzusetzen. Vom Gefängnis in St. Gallenkirch wird Soyfer nach Bludenz und Feldkirch gebracht, später ins KZ Dachau, wo er das bekannte „Dachaulied“ verfasst. Schließlich kommt er ins KZ Buchenwald, wo er am 16. Februar 1939 an Typhus stirbt.
„Hätte es uns ebenso treffen können?“
Eine solche Sardinenbüchse, eingewickelt in die Kopie eines Zeitungsblatts vom März 1938, erhalten wir Zuschauer der Theaterwanderung schon beim Eintreffen im Hotel Madrisa. „Als Eintrittskarte“, sagt Friedrich Juen, der die Tour begleitet, doch auspacken dürfen wir das Päckchen erst bei der betreffenden Spielszene oben am Berg, wo sich ihr historischer Un-Sinn offenbart. Willkürliche Festnahmen wegen eines Stücks Papier spielten sich genau hier ab, wo wir nun stehen und auf idyllisch grüne Alpen sowie auf die vielfachen Zacken der Ritzenspitzen gegenüber der Madrisa schauen. Hätte es uns ebenso treffen können?Soyfers Schicksal liefert – wie viele weitere – Grundlage und Stoff für das Stück „Auf der Flucht“. Doch erst die Dose in der eigenen Hand macht den so gewaltigen wie gewaltsamen Stoff greifbar. Erst das wortlose und vielleicht gerade deshalb umso eindringlichere Leid der Frau in der Mistgrube wirkt direkt erlebbar auf das Gefühl der Betrachter – und erreicht damit womöglich mehr als jeder Geschichtsunterricht.„Immersives Theater“, so nennt es Schauspielerin Katharina Grabher, die auch das Konzept für die Theaterwanderung schrieb. Die räumliche Trennung zwischen Bühne und Zuschauer schwindet, die Grenzen zwischen gestern und heute und irgendwann auch die zwischen Spielkunst und Realität verwischen. Wer sich auf diese Wanderung begibt, taucht mitten ins Geschehen ein, ist mal Akteur, mal Statist – und selten „nur“ Zuschauer, zumal an Orten, wo sich alles exakt abspielte.Oberhalb der Ronggalpe bittet Friedrich Juen die Wanderer zwischen die niedrigen Mauerreste eines alten Viehstalls am Waldrand. Urplötzlich tritt ein Mann hinter dem Baumstamm hervor, er trägt Ledermantel, Schirmmütze und Gerte – und dazu eine fiese Miene, die jedem SS-Schergen zur Ehre gereicht hätte.
Verfolgt von der Gestapo – so echt, dass manchem Zuschauer das Herz in die Wanderhose rutscht: Szene aus "Auf der Flucht"
Foto: Christian Hirschmann – Montafon Tourismus, Schruns
„Gemma, gemma, aufrücken!“, schallt es im Befehlston über unsere Köpfe hinweg. In beißendem Ton fordert der Gestapo-Mann uns Flüchtende auf, letzte Wertsachen und Gold herauszugeben, bevor er mit einem Schweizer Zöllner zynisch über das Los der Gefangenen verhandelt. Dabei fallen Sätze wie „Gott hat Hitler nicht umsonst in Österreich auf die Welt kommen lassen“ und „Juden und Kommunisten dürfen sich gern umbringen“, denn: Wer will die am Ende schon?Die beiden Schauspieler Andreas Kosek und Roland Etlinger geben ihre Parts in dieser martialischen Szene mitten am Berg so lebensecht, dass manchem Zuschauer das Herz in die Wanderhose rutscht. Wie hätten wir damals reagiert? Hätten wir Geld und Gold hergegeben – an Schmuggler, Grenzer, Zollbeamte, auf der Flucht, nur um womöglich wenige Meter vor der Grenze verraten und erschossen zu werden? Denn für jeden erwischten Flüchtling gab es Kopfgeld. Auch diese realen Fälle hat es hier im Gargellental gegeben, wo eine unmenschliche Zeit so ziemlich alle Facetten menschlichen Verhaltens ans Tageslicht brachte.„Seit der Premiere des Stücks im Jahr 2013 haben wir keine einzige Aufführung wegen Schlechtwetter abgesagt“, sagt Friedrich Juen. Friedrich stammt aus Gargellen, ist Jahrgang 1968 und seit der ersten Stunde dabei. „Denn die Wirkung ist bei Nebel und Regen sogar noch realistischer und kommt den tatsächlichen Umständen dann besonders nah.“ Das weiß Juen, gelernter Tischler, Bergretter, Heimatforscher und bei den Bergbahnen beschäftigt, aus persönlichen Erzählungen seiner Familie. Belegt ist: Sein Großonkel Meinrad Juen aus St. Gallenkirch rettete mindestens 42 Flüchtlingen das Leben, indem er diese manchmal tagelang versteckte und dann bei Nacht und Nebel über die heimischen Pässe und damit über die Grenze brachte.
Meinrad Juen rettete mindestens 42 Flüchtlingen im Dritten Reich das Leben, indem er sie versteckte und als "Passeur" über Bergpässe brachte.
Foto: Archiv Friedrich Juen
Passeure nannte man diese Schmuggler damals, die anfangs Waren und Vieh über die „grüne Grenze“ in die Schweiz brachten, später Menschen. Friedrich Juen beschreibt seinen Großonkel Meinrad als gewieft und listenreich, vielleicht auch als schillernde Figur, immer gut bei Kasse, der Menschen und Situationen gut einschätzen konnte und so ihren Erwartungen erfolgreich zuwiderlief.„Geflohen wurde rund ums Jahr“, erzählt Friedrich Juen, der sich an Deserteure ebenso erinnert wie an religiös oder politisch Verfolgte. Eine von ihnen ist zum Beispiel Inge Ginsberg, geborene Neufeld, die im Oktober 1942 über St. Gallenkirch und Gargellen floh. „Vielleicht hört er das, dass er ein Held war und uns gerettet hat – und dass er mich persönlich geschleppt hat. Er war ein gütiger Mensch“, sagte Inge Ginsberg 2018 in einem ORF-Interview über den legendären Fluchthelfer Meinrad Juen. Andere Flüchtlinge haben es nicht geschafft: Eine berührende choreographische Theaterszene in einem Stadel am Berg zeigt zwei eingehüllte Frauen, die sich auf ihren Todeskampf hinbewegen – eine Erinnerung an das Schicksal zweier jüdischer Schwestern aus Berlin, Elisabeth und Martha Nehab, die kurz vor dem Sarotlapass verhaftet wurden und sich 1942 im Gefängnis von St. Gallenkirch am Fensterkreuz erhängten.
„Kein Theater, sondern Wirklichkeit“
Wie denkt Schauspieler und Regisseur Andreas Kosek über seine Arbeit? „Mein und unser Job ist es, die Leute aus der Reserve zu holen und ihnen klarzumachen: Wenn ihr nicht aufpasst, habt ihr bald wieder das gleiche Klima wie damals.“ Das gelingt Kosek und seinen kongenialen Kollegen buchstäblich spielend.Mit Andreas Kosek, Katharina Grabher, Maria King, Roland Etlinger, Mark Német und seiner Vertretung Hans Braun hat das 1993 gegründete „teatro caprile“ schon ähnlich komplexe Stoffe auf Bühne wie Berg gebracht: So folgte die Krimmler Theaterwanderung „Flucht über die Berge“ den Spuren des jüdischen Exodus von 1947 im Salzburger Land. Hier oder da: Die Stücke erlauben Identifikation und Zugang zu vergangenen Zeiten. Und wer die Zeitungen von heute aufschlägt, muss feststellen: Das vermeintlich Gestrige ist allgegenwärtig.
Der Gargellner Friedrich Juen (dessen Großonkel Meinrad Juen war) moderierte das Stück „Auf der Flucht“ vor Ort.
Im Verlauf der Theaterwanderung werden die Almen und die Maisäß-Landschaft unter den Hängen der Madrisa so mehr und mehr zur Seelenlandschaft, zum Schauplatz nachfühlbarer Geschichte(n). Wer dieses Stück gesehen hat, schaut unvermeidlich über die alpintouristische Lesart des Gargellentals hinaus und entdeckt kulturelle „Grenzerfahrungen“ ganz unterschiedlicher Couleur – sowie einen Zugang zu diversen Perspektiven: mal als Täter, mal als Opfer.„Das ist kein Theater, sondern Wirklichkeit“, sagt auch Juen ganz direkt. Über zwölf Jahre hinweg hat Juen rund 4000 Zuschauer während der 91 Vorstellungen den Berg hinauf begleitet und als Moderator gewirkt. Im Sommer 2024 erfolgte die nunmehr letzte Saison der erfolgreichen Theaterwanderung, die von Anfang an vielfach besprochen und zudem prämiert wurde. „Doch es wird 2025 eine Fortführung geben, die auf dieser Thematik aufbaut und ebenfalls rund um Gargellen stattfindet. Auch das neue Stück namens ‚Grenzerfahrungen am Zauberberg‘ geht persönlichen Schicksalen rund um Gargellen nach, so wie jenem von Hans Castorp in Thomas Manns ‚Zauberberg‘ – nannte sich doch der Luftkurort einige Zeit das ‚Davos Vorarlbergs‘. Aus den kulturellen und historischen Bezugspunkten ergibt sich die stete Frage, wie wir Berge heute wahrnehmen“, sagt Katharina Grabher. Als Ausblick verweist die Theatergruppe auf ein – abgewandeltes – Zitat des Lyrikers Friedrich Hebbel: „Das Montafon ist eine kleine Welt, in der die große ihre Probe hält.“
Entstanden ist „Auf der Flucht“ 2013 als Kooperation der Montafoner Museen mit Historiker Michael Kasper und dem „teatro caprile“. Infos gibt es unter teatro-caprile.at.
Die Biografien zahlreicher Flüchtlinge, die versuchten, über Vorarlberg in die Schweiz zu fliehen, sind auf der Website „Über die Grenze“ nachzulesen, ein Projekt des Jüdischen Museum Hohenems: ueber-die-grenze.at.
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