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1/11

Seelentröster

 

„Letzten Herbst war ich mit meiner Bergfreundin in den Ammergauer Bergen unterwegs. Es war für mich gerade eine sehr stressige und belastende Zeit. Zur Bergfreundschaft gehört es, sich aufeinander verlassen zu können. Wir sind im Winter wie im Sommer unterwegs und kneifen auch nie bei schlechtem Wetter. Wenn was ausgemacht ist, genießen wir die Berge, so wie es kommt. An dem Tag ging es mir seelisch so schlecht wie noch nie. Daher stand neben der schönen Bergtour für mich das freundschaftliche Gespräch im Vordergrund. Meine Freundin hat mir den gesamten Aufstieg geduldig zugehört, während ich mir meine Sorgen von der Seele geredet habe. Sie hat mir ab und zu mit behutsamen Fragen versucht, einen Lösungsweg zu erhellen. Die Lösung schien jedoch nicht einfach greifbar. Und dann, im Abstieg kurz unter dem Gipfel, erschien mir mein Engel im Übergang zwischen Wolken und Bergen. Ein magischer und mystischer Moment, der mir die Botschaft sendete, alles wird gut. Mein persönlicher Moment, wie Berge und Bergfreundschaft die Seele trösten. Danke an das wunderbare Wetterphänomen und meine Bergfreundin.“

Natalie Stahl-van Rooijen

 


2/11

Sommermilchstraße

 

Die Sommermilchstraße, aufgenommen im Sternenpark an der Winklmoosalm

Elisabeth Busko

 


3/11

Schlechtes Wetter macht gute Erinnerungen

 

„Mehrere Jahre abwarten, immer wieder demütig angesichts der Größe der Wand – dann doch rein in die ‚Inferno und Ekstase‘ durch die Grubenkarspitze-Nordostwand über dem Großen Ahornboden. Weil: Wetterprognose günstig! Die ersten 30 Seillängen durch die über 1000-Meter-Wand laufen gut. Dann rumpelt es. Erstaunlich, wie lange man sich Dinge schönreden kann – vor allem, wenn fraglich ist, was besser wäre: stundenlanges Abseilen im Steinschlag oder Flucht nach oben durch noch 400 Meter unbekanntes Gelände im Nebel? Letzteres. Wir haben Glück und finden durch den herzhaft alpinen, oberen Teil den Ausstieg. Am Lalidererbiwak treffen wir eine Seilschaft aus Seefeld, die im Notbiwak an der Herzogkante das dort grauslichere Niedergehen aussitzen musste. Alle müde, durchnässt – umso mehr schweißt eine gemeinsame Nacht am Berg zusammen. Der nächste Morgen ist klar, herrliche Weite findet der Blick. Gemeinsam steigen wir durch die Spindler-Schlucht ab, alle vier. Noch nie haben Buttermilch und Kuchen so gut geschmeckt wie anschließend auf der Falkenhütte!

Wetter macht Erinnerung, schlechtes sogar besonders gute – wenn man Glück hat. Wie viel Glück wir hatten, lehrt uns die Lektüre, wie so oft im Nachgang zu beeindruckenden Touren. Ralf Sussmann, einer der Erstbegeher der ‚Inferno und Ekstase‘ sendet auf unseren Bericht an ihn seine Erlebnisse von Unwettern in dieser höchsten Wandflucht im Karwendel: Da ist die Demut gleich wieder da, samt Ehrfurcht für die Klettergenerationen vor uns, die ohne die Chance heutiger Wetterprognosen immer wieder ins Ungewisse ausgerückt sind.“

Julius Kerscher

 


4/11

Schöner Schrei

 

„Wer kennt nicht das Bild von Edvard Munch, ‚Der Schrei‘. Eine angsterfüllte Situation, als sich der Himmel eines Januarabends im Jahre 1892 über dem Oslofjord plötzlich blutrot färbte. ‚Eine Welt außer Kontrolle‘, so beschrieb es der Maler, und sein Gemälde wurde zum Sinnbild für Angst, Wahnsinn, Verzweiflung. 125 Jahre später geht es uns, oberhalb des Ufers des Lago Maggiore, ähnlich. Wir denken an den Angriff außerirdischer UFOs, befürchten schlimmste Wetterextreme und Naturgewalten, so irreal und blitzschnell entwickeln sich die Wolken. Tatsächlich aber folgte schönes Wetter."

Petra Dorkenwald / Peter Stangl
Foto: Peter Stangl

 


5/11

Abenteuer Evakuierung

 

„Am 22. Juli 2022 starten wir mit vier Erwachsenen und drei Kindern zur Bergtour auf die Franz-Senn-Hütte im Stubaital. Im Vordergrund steht dabei Benjamin, sechs Jahre alt, der schon viele Bergtouren absolviert hatte und erstmals auf über 2000 Metern übernachten wollte. Der Wetterbericht sagte zunächst leichten Regen voraus, später sonniges Wetter. Vor dem Start checkten wir nochmals den ZAMG-Wetterbericht und beteiligten auch die Kinder in der Planung. Schon im Zustieg entdeckten wir eine breite Front Kumuluswolken, die sich zu Kumulonimben formten. An der Hütte angekommen, fing es leicht an zu regnen. Schon während des Abendessens zogen sich die Wolken weiter zu und es gab Starkregen. Als ein heftiger Donner über die Hütte fuhr, blickten wir raus und sahen den Boden voller Hagelkörner. Benjamin erschreckte sich und zog sich in den Arm seiner Mutter. Wir redeten mit den Kindern den Abend über das Wetter und wie sich solche Ereignisse entwickeln können.

Nachts zog das Unwetter immer mehr zu. Benjamin lag in seinem Bett mit einem kleinen Kuscheltier, seine Mutter saß bei ihm am Fußende. Der Raum wurde die ganze Nacht immer wieder durch die Blitze erhellt. Benjamin schlief erst weit nach Mitternacht ein. Auf dem Weg zum Frühstückstisch erkannten wir jede Menge Schilder vom Hüttenwirt Thomas, die auf die aktuellen Gefahren hinwiesen. Muren waren nachts abgegangen und hatten Wege zerstört. Wir waren unausgeschlafen und uns wurde bewusst, dass die Hüttenwirte die ganze Nacht gearbeitet hatten und trotzdem das Frühstück bereitstand. Die nächsten Informationen sollten um 10:30 Uhr folgen und es wurde gebeten, dass keiner auf Tour geht. Mitarbeiter der Hütte mussten trotzdem mit einigen Tourengängern sehr kontrovers diskutieren.

Den Tag verbrachten wir in der Hütte. Das gesamte Tal und die Hütten sollten evakuiert werden. Der Polizeihubschrauber landete bei gutem Wetter an der Hütte, insgesamt sechsmal. Es wurden zuerst die Leute ausgeflogen, die an diesem Tag auch abgereist wären. Wir blieben. Der Regen in der Nacht leider auch. Am Morgen des dritten Tages hatten der Regen und die Gewitter nachgelassen, aber es waren starke Altostratus-Wolken zu sehen und der Hubschrauber konnte die Hütte nicht mehr anfliegen. Den Wanderern wurde angeordnet, auf einer bestimmten Route abzusteigen. Benjamin und die anderen Kinder hätten diese lange Tour nicht geschafft, und so hatte Thomas, der Hüttenwirt, mit dem Lagezentrum in Innsbruck eine besondere Vereinbarung: Wir als Gruppe stiegen bis in ein Seitenplateau ab, dort sollte uns der Polizeihubschrauber abholen. Das war eine große Neuigkeit und Benjamin hatte volle Energie, um den Abstieg zu wagen, auch wenn die Wege matschig waren und jetzt sehr viel Trittsicherheit gefragt war. Am Abholplatz angekommen, wiesen wir die Kinder ein und sicherten alle Dinge, die wegfliegen konnten. Alle Rucksäcke wurden auf die Erde zum Haufen gelegt und wir legten uns darüber. Wenig später kam der Hubschrauber und nahm uns in zwei Shuttleflügen mit. Später standen wir erleichtert an der Tankstelle in Neustift, die Bushaltestelle im Blick, um nach Innsbruck zum Zug zu kommen. Die Kinder schleckten an ihrem Eis von der Tankstelle. Benjamin drehte sich zu mir um und sagte: ‚Dieses Wochenende war ich mutig – wir alle haben das geschafft.‘“

Thorsten Decker

 


6/11

Hohe Wolken

 

Hohe Bewölkung am Falzaregopass, Oktober 2023

Manfred Zink

 


7/11

Vom Blitz getroffen

„Eine der beeindruckendsten Erinnerungen: Die Besteigung der Hohen Munde, genauer des Ostgipfels. Gemeinsam mit meinem Schwager Gert wollte ich im September 1999 die Hohe Munde besteigen. Damals hätte nicht viel gefehlt und unsere alpinen Karrieren wären den Bach, genauer gesagt den Berg hinunter gegangen. In der Scharte zwischen Vor- und Hauptgipfel angekommen, sahen wir, dass sich von Süden eine Gewitterwand näherte. Man konnte es von der Aufstiegsseite nicht sehen. Der Wetterbericht war gut gewesen. Und dann ging es ganz schnell. Wir befanden uns mitten im Gewitter. Ein Abstieg in die Ostflanke war nicht mehr möglich. Donnergrollen, Blitze. Schnell zog Nebel auf, es begann heftig zu regnen, dann zu graupeln und schließlich zu schneien. Unter einem etwa fünf Meter hohen Felsblock fanden wir ‚Zuflucht‘ und nahmen die Blitzschutzstellung ein. Über einen längeren Zeitraum – wir saßen dort etwa eine Stunde fest – ganz schön anstrengend. Die meisten Blitze zuckten zwischen den Wolken. Irgendwann war ein Summen wahrnehmbar. Dann schlug in einer Entfernung von etwa 50 Metern ein Blitz ein. Der Stromstoß war trotz optimaler Blitzstellung spürbar, mein Schwager sprach später von einem heftigen Schlag und einer kurzen Absence, da seine Füße etwas weiter auseinanderstanden. Beim Abflauen des Gewitters liefen wir zurück zum Abstieg. Kurze Zeit später holte uns ein Bergsteigerpärchen aus Wien ein. Sie fragten uns, ob wir ein Handy dabei hätten, damals keine Selbstverständlichkeit. Weiter oben hätte es einen Bergsteiger erwischt. Er war am Drahtseil vom Blitz getroffen worden. Die Rettung verlief ein bisschen kompliziert, da die beiden nur die Wiener Notrufnummer kannten. Diese verständigten die Innsbrucker Bergrettung und diese rief dann meinen Schwager an. Nachdem ihnen der Aufenthaltsort des Verunfallten mitgeteilt worden war, dauerte es aber keine zehn Minuten, bis der Hubschrauber auftauchte und den Mann abtransportierte. Übrigens, diese Episode ist auch in Pit Schuberts alpinem Lehrwerk ‚Sicherheit und Risiko in Fels und Eis‘ zu finden. Ob der verunglückte Bergsteiger überlebt hat, wird nicht erwähnt.“

Werner Glanz

 


8/11

Wetter-Wecker

 

„Südtirol, Dolomiten, Rifugio Pedrotti, 5:42 Uhr und ich kann nicht mehr schlafen. Wach vorm Wecker stehe ich auf, noch müde. Ein Blick aus dem Fenster im Bad. Zack. Träum ich oder wach ich? Ein Wolkenmeer erstreckt sich am Horizont. Einzelne Bergspitzen in der Ferne schauen heraus. Lichtbänder in warmem Gelb-Orange – von der aufgehenden Sonne – sowie in verschiedenen Blautönen von hell ins dunkelblau wechselnd darüber. Welch eine magische Stimmung. Gut eine Stunde später taucht die Sonne am Horizont aus dem Wolkenmeer auf. Wie wohltuend ihre Wärme doch ist. Unterwegs auf der lange ersehnten Klettersteig-Hüttentour in der Brenta war diese morgendliche, zauberhafte Stimmung das Tüpfelchen auf dem I.“

Mona Karama

 


9/11

Volle Ladung

„Das erste Mal richtig zu spüren bekam ich Gewitter am Berg vor ein paar Jahren auf einem Hochtourenkurs. Im Abstieg vom Großglockner, wir waren schon in Sichtweite zur Stüdlhütte, zogen die dunklen Wolken über uns zu. Kurz bevor es von oben auf uns einbrach, war die Luft auf einmal elektrisch geladen, sodass es an den Ohren knisterte und die Luft uns wortwörtlich in den Po kniff. Es brauchte kein weiteres Wort und wir legten geschlossen in der Gruppe die letzten Meter im Galopp zurück. Unter dem Hüttendach versammelt, beobachteten wir erleichtert und beeindruckt das Naturschauspiel. So ein Erlebnis bleibt definitiv im Kopf hängen …“

Laura Betzler

 


10/11

Halo als Belohnung

 

„Nach einem miserablen Start auf der Haute Route du Soleil bei sehr angespannter Lawinensituation mussten wir leider umkehren und konnten nur Tagestouren machen. Dafür wurden wir aber mit feinstem Pulver und besten Wettererscheinungen belohnt, wie hier einem Halo am Brudelhorn auf 2791 m.“

Teresa Kaiser

 


11/11

Flucht nach oben

 

„Aus einem Wettererlebnis am Berg zu meiner Sturm-und-Drang-Zeit habe ich definitiv gelernt. Es war Anfang der 90er, wir fühlten uns unsterblich und ließen uns von nichts aufhalten – auch nicht von den dunklen Wolken, die schon bei unserem Aufbruch tief am Monte Pelmo hingen. Wir hatten uns in den Kopf gesetzt, die 850 Meter lange Nordwandführe des Dolomitenriesen an diesem Tag zu klettern, also stiegen wir ein. Die Schwierigkeit lag unter unserem Können und wir kamen voran – bis sich die Wolken entluden. Innerhalb von Sekunden schlugen uns Schnee und Eis waagrecht ins Gesicht und verwandelten die Nordwandroute in einen vereisten Pfeiler. Wir hatten nichts dabei, nur eine Rettungsdecke. Am Standplatz kauerten wir uns eng aneinander und hielten die dünne Decke über unsere Köpfe. Zack, riss der Wind sie aus unseren Händen. Zurück blieben nur die zerrissenen Fetzen zwischen unseren Fingern. Ohne Schutz konnten wir hier oben nicht ausharren. Rückzug? Keine Chance. Der einzige Ausweg war, am Gipfel aus der Wand auszusteigen. Rund zehn Stunden braucht es normalerweise, die Wand zu durchsteigen. Wir hingen in vereisten Rissen und schafften es irgendwie durch die Wand. 

Als ich oben am Gipfelplateau war, schlug etwa zehn Meter vor mir der Blitz mit einer solchen Wucht ein, dass es mich von den Beinen hob und nach vorne katapultierte. Ich kann von Glück sagen, dass es mich nicht nach hinten zurück in die Wand geschleudert hat. Erst später bemerkte ich, dass durch die Energie, die sich neben mir entladen hatte, meine Trinkflasche verformt war. Als uns der Hüttenwirt bei unserer Rückkehr sah, setzte er uns direkt an den warmen Ofen. Die Seile, die wir um unseren Oberkörper gewickelt hatten, waren an uns festgefroren – wir mussten erst mal auftauen.“

Uwe Kalkbrenner