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Lawinenkataster der Bayerischen Alpen

Archiv mit Grenzen

Eine eher versteckte Funktion im Online-Kartenwerk BayernAtlas zeigt das Lawinenkataster des Bayerischen Alpenraumes. Was sich dahinter verbirgt und warum das Werk mit Vorsicht zu genießen ist, erklärt sein Macher – Armin Fischer von der Lawinenwarnzentrale Bayern.

Interview: Thomas Ebert, alpinwelt 4-2022; Grafik: BayernAtlas

Welchen Zweck hat das Bayerische Lawinenkataster und wer nutzt die Daten?

Armin Fischer: Das Kataster ist ein den Bayerischen Alpenraum umfassendes Archiv von Lawinenstrichen, kartografisch und textlich. Es enthält Lawinenstriche, die aktuell oder in der Vergangenheit Infrastruktur gefährdet haben, also zum Beispiel Gebäude, Straßen, Skilifte oder Ähnliches. Es ist die Planungsgrundlage für temporäre oder permanente Schutzmaßnahmen, also etwa Straßensperrungen, Evakuierungen oder Lawinenverbauungen. Die Nutzer sind dementsprechend in erster Linie Sicherheitsbehörden, Gemeinden, Landratsämter, neuerdings auch Planungsbüros, die den Bau solcher Schutzmaßnahmen übernehmen. Natürlich nutzen wir das Kataster auch selbst – auch bei uns gibt es Personalwechsel und die jungen Leute wissen nicht mehr, wo vor 50 Jahren eine Lawine abgegangen ist. Privatleute nutzen das Kataster eher selten, aber wir stellen solche Daten für Interessierte gerne zur Verfügung.

Warum ist das Lawinenkataster für Tourengeher mit Vorsicht zu genießen?

Es besteht die Gefahr, dass das Kataster falsch interpretiert wird. Es sind nur Lawinenstriche enthalten, die Infrastruktur gefährden – Lawinen im freien Skiraum enthält das Kataster nicht! Man darf also nicht davon ausgehen, dass es keine Lawinen gibt, wo im Kataster keine eingezeichnet sind. Von daher ist es in meinen Augen für den Tourengeher nur in Bereichen brauchbar, wo es z. B. Skigebiete gibt oder gab, etwa am Geigelstein. Das Lawinenkataster ist kein Hilfsmittel zur Tourenplanung. Aber ein Blick ins Kataster kann spannend sein – für manchen mag es überraschend sein, wo schon überall Lawinen abgegangen sind, selbst wenn die Liste nicht vollständig ist.

Woher stammen die Daten, und wie wird das Kataster in der Praxis erstellt?

Ich habe das Kataster noch analog von meinem Vorgänger übernommen, vor ca. 20 Jahren, und inzwischen in ein GIS (Geoinformationssystem) überführt. Dazu gibt’s noch ein Fotoarchiv. Als nach dem Unglück am Schneefernerhaus 1965 der Lawinenwarndienst aufgebaut wurde, hat man auch begonnen, gefährdende Lawinen aufzunehmen – händisch in Karten eingezeichnet. Heute nutzt man Daten aus Luftbildern, Fotos von den Lawinenkommissionen aus dem Gelände, aus dem Hubschrauber, aus Drohnen. Aber ich fahre auch noch selber raus und schaue mir Lawinen vor Ort an.

Wäre eine Erweiterung des Katasters auf Lawinenabgänge im freien Gelände denkbar, z. B. den Lawinen mit Personenbeteiligung?

Da haben wir schon oft darüber nachgedacht – und letztlich entschieden, Lawinen mit Personenbeteiligung, also sogenannte Unfalllawinen, nicht mit dem Kataster zu vermischen, sondern separat auf unserer Website aufzuführen. Wir behandeln sie nicht im Kataster, weil es da Abgrenzungsprobleme gibt: die Unfalllawine ist ein Einzelereignis, im Kataster geht es um die größtmögliche Ausdehnung eines Lawinenstrichs. Das wird auch so bleiben. Ich persönlich finde zur Tourenplanung eher Hangneigungskarten interessant.

 

Link-Tipps rund ums Lawinenkataster

Direkt zum Bayerischen Lawinenkataster gehts mit diesem Link. Alternativ kann man unter geoportal.bayern.de/bayernatlas im Thema „Naturgefahren“ den Layer „Lawinenkataster“ aktivieren.

Zentrale Anlaufstelle vor jeder winterlichen Tour in den bayerischen Alpen ist die Website des Lawinenwarndienstes Bayern: lawinenwarndienst-bayern.de

Lawinenlageberichte fürs Ausland (Europa und Nordamerika) erhält man auf der Website des Verbandes der europäischen Lawinenwarndienste (EAWS): avalanches.org