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mit Übernachtung in der Schneehöhle

Bayrisches Wintermärchen Vol 2

Es waren einmal zwölf wack‘re Gefährten. Vier von ihnen entstammten dem Geschlecht der Venus und acht beriefen sich auf das Geschlecht des Mars. Die strahlend schönen Anhänger der Venus waren von graziöser Anmut und trugen den Göttinnen gleichende Namen wie Kathi, Stephi, Josi und Marie. Auch die streitbaren Ausgeburten des Mars konnten sich sehen lassen. Als sie einst gemeinsam bei der antiken,  formvollendungsfrönenden Olympiade GNTM antraten, belegten sie, man mag es kaum glauben, zu acht den ersten Rang. Ihre Namen, nämlich Maxi, Jan, David, Konrad, Tauri, Dom, Felix und Manu, waren dank weit reisender Heldengeschichtenerzähler sogar bis in die entlegensten Ecken von Hinterpfuidaife bekannt.

Diese zwölf wagemutigen Geschöpfe trafen sich, wie es schon zwei von ihnen im vergangenen Jahr taten, in aller Herrgottsfrüh am Platze, den man Candid nennt, mit doppeltem und einfachem Skigefährt, um gemeinsam ein Abenteuer zu erleben. Dieses Mal erklärten die herkulischen Häuptlinge Felix und Manu einen noch unentdeckten, montanen Winkel des Lechtals zum Ziel des Abenteuers. Jedem von ihnen war bewusst, dass in dieser Gegend grausame Bergungeheuer hausten. Sie mussten also bedacht und mit Köpfchen vorgehen, um keinen dieser schlafenden Hunde zu wecken. Ihr Vorhaben war kühn, denn sie wollten die Nacht in selbstgeschlagenen Schneepalästen, die auch den Komfortansprüchen des märchenhaften Bajuwarenkönigs Ludwig II. genügt hätten, verbringen. Als sie mit ihren gummierten Tiefschneeschlitten aus der sagenumwobenen Stadt Minga gen Lechtal bretterten, war ihr Schicksal bereits besiegelt. 

Ihr Weg hinauf durch das urwüchsige Fundaistal in den Fundaisboden war geprägt von der schweren Last ihres geschulterten Gepäcks. Der beinstarke Tauri schritt gleich strammen Schrittes voran und konnte auch kaum durch seine Herzensdame Kathi eingebremst werden. Doch schon bald waren alle wieder vereint und sie durchquerten gemeinsam auf ihrem Weg gebirgig anmutende Schneehaufen von Riesenlawinen. Die Sonne prallte ihnen ins Gesicht und der Wind toste wie hundert wild gewordene Rhinozerosse. Es herrschten dort oben die Urgewalten der unzähmbaren Berggeister. Schier unmöglich mag es Außenstehenden erscheinen, dass keiner von den zwölf Gefährten auch nur einen Funken Angst oder Zweifel an ihrem Vorhaben hatte.

Als sie schließlich an einer pompösen und Schloss-Herrenchiemsee-gleichen Hirtenhütte vorbeikamen, machten sie Rast. Diese Rast machten sie jedoch nicht, weil sie es nötig gehabt hätten, sondern weil sie es konnten. Sie nutzten die kurze Rast auch, um die Sonne zu bräunen, nicht die Sonne sie. Außerdem wurde die Rast genutzt, um den Ort zu bestimmen, an dem der Palast für die Nacht erbaut werden sollte. Nachdem dies geschehen war, ließen die Gefährten den Großteil ihres Gepäcks an jenem Ort zurück und machten sich auf den Weg zum Galtseitenjoch. Der Weg war steil und beschwerlich und kostete viel Kraft, jedoch nicht die Gefährten, sondern den Berg. Es war fast ein Wunder, dass er nicht unter der Last des Dutzends zerbarst. Oben am Joch spürten die Gefährten das schweißgetriebene und schwere Atmen des Berges anhand des tosenden Windes, der ein Schneegestöber von unvorstellbarem Ausmaß auslöste. Alle Gefährten waren sprachlos. Nachdem sie nun den Berg so sehr strapaziert hatten, war mit seinen Geistern nicht mehr gut Kirschen essen. Kurzerhand beschloss der Berg sein Herz und seine schneeweiße Haut hart werden zu lassen, um den Gefährten den Weg zur Palastbaustelle zu erschweren. Dies stellte das Dutzend unter Zugzwang. Sie mussten nun, kompromisslos wie sie waren, mithilfe der aus Kryptonit gefertigten Stahlkanten ihrer Tiefschneegefährte die weiße, harte Haut des Berges in gleichmäßiger Kurvenform aufschlitzen. Keine Kurve war ihnen dabei zu viel. Um dieses Erlebnis in bildhafter Form festzuhalten, beschloss der vom Marsgeschlecht stammende Teufelskerl Maxi kurzerhand sein kanonenrohrartig anmutendes Sturm-DSLR-Halbautomatikgewehr aus seinem Köcher zu ziehen und in regelmäßigen Abständen den Abzug zu drücken. Wer nach der Durchsicht der daraus entstandenen Bilder noch Zweifel am Wahrheitsgehalt dieser Geschichte hat, dem ist nicht mehr zu helfen. 

Unten an der Baustelle des Palastes angekommen, wurde sofort begonnen, den königlichen Ansprüchen Genüge zu leisten. Aus ursprünglich fünf geplanten Palästen wurden kurzerhand zwei Paläste. In einem dieser Paläste mussten zehn der Gefährten und im anderen zwei von ihnen Platz finden. Die Arbeit war schier endlos und äußerst anstrengend und schweißtreibend, jedoch nicht für die Gefährten. Es war der Schnee, der ins Schwitzen kam und immer weiter zurückweichen musste, als ihm die bärenstarken Arme der streitbaren Gefährten zusetzten. Er hatte keine Chance und es blieb ihm letztendlich nur die Flucht nach draußen vor die Tür des schneeweißen Palastes vom Fundaisboden.

Da unter den Gefährten auch Sternenköche weilten, war die Küche im Nu erbaut und das Fünf-Gänge-Menü schnell serviert. Es war ein Festmahl! Nachdem bereits die Nacht hereingebrochen war, wurde beschlossen, ein wärmendes Feuer zu entzünden. Dies gelang dem Pyromanensohn David wie auf Knopfdruck. Gemeinsam wurde noch gesungen, getanzt, getrunken und gelacht und die Lungen ein bisschen geräuchert. Das Feuer wirkte wie warmer Sand auf die Gefährten. Alle gingen mit gewärmten Füßen zu Bette in ihre Schneepaläste – ohne Ausnahme.

Am nächsten Morgen erwachten die Gefährten und waren guter Dinge. Es versprach ein guter Tag zu werden, denn die Sonne ließ sich bald blicken. Das Frühstück wurde serviert und die zwölf Mägen waren bald geschlagen voll. Sodann waren zehn der Gefährten bereit aufzubrechen, wohingegen sich zwei opferten, um die Paläste zu bewachen. Erneut fiel die Entscheidung auf das Galtseitenjoch, denn die Geister des Windes hatten am Tag zuvor und nachts ihr Unwesen getrieben. Da der Weg schon bekannt war, war der Anstieg ein leichter. Oben am Joch bot sich dem Dutzend aufs Neue ein traumhafter Weitblick. Da jeder der Gefährten noch höher hinauswollte, wurde entschieden, dem Berg entlang des aufsteigenden Rückgrats herumzutrampeln. An einem Felssporn angekommen machten sie Rast, um das Rückgrat des Berges ein wenig zu entlasten und natürlich um die traumhafte Aussicht zu genießen. 

Als sie wieder am Joch ankamen, wurden die Hänge noch nach der besten Qualität des Schnees geprüft. Nachdem die Wahl getroffen war, wedelten sie jauchzend den Berg hinab. Mit ihren Schwüngen drückten sie dem Berg ihren Stempel auf, den dieser so schnell nicht mehr vergessen wird. Unten an den Palästen machte sich das Dutzend daran den Heimweg anzutreten, der sogar noch ein paar firnige Hänge für sie bereithielt. Jauchzend bestäubten sie noch jeden Hang, der sich ihnen in den Weg stellte, bis sie schließlich vor einem unsäglich steilen und bewaldeten Anstieg ankamen, den sie hinaufmussten. Und wenn sie dabei nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.


Manuel Nadler

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