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Selfies sind die neuen Ölgemälde: Seit jeher neigt die Menschheit zur (Selbst-)darstellung, auch in den Bergen. Mit mehr Respekt und weniger Inszenierung steigt es sich trotzdem leichter, findet Martina Renner.
Typisch, wird mancher sagen, dass zum Thema „Laufsteg“ eine Frau schreibt. Aber die erste Geschichte, die mir dazu einfällt, handelt von Männern. Die haben im Sporthaus Bergschuhe anprobiert und sich dann nicht für die bessere Passform, sondern für die schöneren Schuhbandel entschieden! Wenn man’s mal genau betrachtet: In den Anfangstagen war der Alpinismus eine männerdominierte Domäne. Und die wussten sich in Szene zu setzen! Schauen wir uns nur den Wanderer über dem Nebelmeer an oder Gemälde mit heroischen Szenen an Felsnadeln und Graten.
Der Mensch hat sich nicht groß gewandelt in den letzten 200 Jahren. Selfies auf Instagram vor vermeintlich abgelegenen Seen, auf spektakulären Skihängen oder mit waghalsigen Gleitschirmmanövern sind die Ölgemälde von heute. Ob’s damals schon eine Bergmode gab? Heute gibt es jedenfalls für jede Art der Bewegung (nicht nur für jede Sportart) eine andere Hose, Schuhe, Rucksäcke. Jede Saison in anderen Farben, anderen Mustern. Ganz ehrlich, brauchen wir das? Vielleicht sollten wir uns wieder vergewissern, wo wir unterwegs sind und warum. Für uns, nicht für andere. Real und nicht digital.
Respekt für Ressourcen statt Konkurrenz durch Konsum
Auf dem Laufsteg soll gemeinhin eine „Attitude“ verkörpert werden – eine Haltung. Aber was ist unsere Haltung als DAV-Sektion zu dem, was wir tun? Ist es die Bergbezwingerhaltung von vor 200 Jahren? Ist es eine Schneller-Schöner-Besser-Mentalität? Oder ist es eine Haltung des Respekts? Es zeugt von Respekt, auch gegenüber unseren Mitmenschen, wenn wir uns in den Bergen wie höfliche Besucher verhalten und sie nicht als Kulisse zur Selbstinszenierung nutzen. Es zeugt von Respekt gegenüber den Ressourcen dieser Welt und damit ebenfalls gegenüber unseren Mitmenschen, nicht jede Saison die Sportausrüstung rundzuerneuern, obwohl die „alten“ Sachen noch pfenningguad sind. Nur weil uns Ausrüster einreden, man könne dieses Jahr nicht mehr in Grasgrün, sondern nur noch in Schilfgrün in die Berge gehen, oder weil die Ausrüstung einen kleinen Riss abbekommen hat.
Für letzteres Problem bieten viele Bergausrüster und Sporthäuser Reparaturservices an. So wird die Jacke wieder dicht, der Schuh hat wieder Grip und der Rucksack hält weitere fünf Jahre. Aber selbst wenn man feststellt, dass die Bluse doch nicht so schön ist wie gedacht oder das Hemd in der zweiten Saison nicht mehr passt, gibt es eine Lösung: Zwei Mal im Jahr bietet der Alpenverein München & Oberland einen Alpinflohmarkt an. Da wechselt vieles den Besitzer, was nicht mehr passt, nicht mehr gefällt, nicht mehr benötigt wird. Und wenn es etwas Bestimmtes sein soll, etwa bei Sportarten, in die man nur hineinschnuppern möchte, oder bei Spezialausrüstung, die man nur ein oder zwei Mal im Jahr braucht – die kann man sich in unseren Servicestellen auch ganz einfach ausleihen.
Das alles schont nicht nur Ressourcen, sondern auch den eigenen Geldbeutel. Und die Nerven. Denn wer sich nicht fremdbestimmen und in einen modischen Hype hineinziehen lässt, kann in sich selbst ruhend unterwegs sein und das genießen, was und wer um einen herum ist. Niemand braucht sich dann Gedanken machen, ob die anderen einen modisch schick finden oder ob man die Instagram-Community mit ausreichend Bildern versorgt hat. Das alles ist keine Frage des Verzichts, kein Schwarz oder Weiß, sondern eine Frage des richtigen Maßes – wie so oft im Leben.
Für die Vorstände des Alpenvereins München & Oberland: Martina Renner, im Juni 2021
Meinungen zum Wegweiser der Sektionsvorstände alpinwelt 3/2021
Danke für diese deutliche Position, die ganz meiner Meinung entspricht und nur der Anfang einer kompletten Umkehr im Umgang mit den Ressourcen unserer Erde sein kann. Ich bin dabei (schon länger....).
Christoph Schwartz
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Herzlichen Dank an Martina Renner, sie spricht mir mit ihrem Artikel aus der Seele ♥️
Yvonne Schulze
Ich bin ich mir nicht sicher, ob mein Kommentar so ganz passt, aber da gibt es etwas, was ganz gewaltig nervt. Früher hat man Fotos gemacht und von mir aus auch Videos gedreht. Heute langt das nicht mehr und man braucht „spektakuläre“ Drohnen Aufnahmen. Wenn ich auf einem Berg sitze und die Natur mit all ihren natürlichen Geräuschen genießen möchte, brauche ich keine surrenden Drohnen über meinem Kopf, die den Besitzer auf ausgesetzten Felsnadeln zeigt und am Abend auf seinen social media Profilen geposted wird. Und geflogen wird, bis der Akku platt ist…
Jutta Hupe
Mir ist wichtig, dass ich mich in der Bekleidung wohlfühle - nicht Mode. Reparatur von hochwertigen Sachen ist „Selbstverständlich“, z.B. Bergschuhe, der Rest entweder Second-Hand im Laden oder geschenkt bekommen. Neue „Klamotten“ im jährlichen Rhythmus des „Geschmacks“ kann ich mir auch nicht leisten - gibt wichtigeres. Fotos werden nur an sicheren Stellen gemacht - meistens von der Umgebung und nicht von mir. brauche ich als über 60-Jährige nicht.
Brigitte Löslein
Frau Renners Kommentar kann ich nur bestätigen und sehe es genauso. An manchen Orten in den Bergen fühle ich mich mittlerweile eher wie im Zirkus HalliGalli, wie z.B. Rofan, Erfurter Hütte oder August-Schuster-Haus – hier kann man sich stets die neuesten E-Bikes ansehen. Einfach ein Wahnsinn. Und leider werden es auch immer mehr Menschen, die ich an Orten treffe, wo sie eigentlich nicht sein sollten. Irgendwo im World Wide Web eine Tour gelesen, schnell in einem Onlineforum eine Gruppe zusammengestellt; man möchte ja schließlich nicht alleine gehen und schon geht’s los –alles easy, kein Problem. Das Material, passendes Schuhwerk oder persönliche Fähigkeiten? Egal, notfalls 112 anrufen, klappt schon. Aber was kann man schon erwarten, in einer Welt, die sich immer schneller dreht und eine Schlagzeile auf die nächste folgt – gehetzt und angefeuert, die Ruhe suchend und doch verloren. Ich für meinen Teil meide, wenn es geht, diese Unruheorte und kenne zum Glück noch ruhigere Wege. Und ja, ich weiß, dass ein Foto sowieso nie das wiedergeben kann, was ich sehe, rieche und erlebe. In diesem Sinne, Berg Heil.
Marion Bopp