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Wegweiser 04/2021

Warum wir die Berge schützen

Schutzgebiete in den Bergen: Wer und was wird hier eigentlich geschützt, von wem und wieso? Andreas Roth gibt einen Überblick und erklärt, warum der Schutz der Bergwelt für den Alpenverein München & Oberland nicht nur in der Satzung festgeschrieben, sondern auch Grundlage für alle weiteren Vereinszwecke ist. 

Neulich waren wir auf einer Bergtour im Karwendel. Auf einem einsameren Abschnitt lag, nur ein paar Meter vom Pfad entfernt, eine tote Gams. Sie konnte noch nicht allzu lange dort liegen, denn der Körper sah noch ziemlich unversehrt aus. Wir kamen ins Grübeln: Was konnte der Grund für den Tod dieser Gams gewesen sein?

Das Karwendel, in dem die Sektion Oberland Wege betreut und die Lamsen- sowie die Falkenhütte unterhält, wurde 2009 von der Tiroler Landesregierung zum Naturpark erklärt. Dieser Naturpark Karwendel besteht aus drei Naturschutz-, zwei Ruhe- und sechs Landschaftsschutzgebieten. Während ein Naturschutzgebiet eine sehr hohe Schutzgebietskategorie darstellt, sind die Auflagen und Nutzungseinschränkungen in Ruhe- und Landschaftsschutzgebieten geringer. Gesetze der Bundesländer stellen die Grundlage dar. Ranger betreuen solche Gebiete. Sie kontrollieren nicht nur die Einhaltung der Regeln (z. B. die oft wilde Parksituation am Ausgangspunkt beliebter Berg- und Skitouren an der Straße in das Risstal), sondern kümmern sich um Flora und Fauna (z. B. die Auswilderung der Bartgeier im Nationalpark Berchtesgaden) und geben Besuchern kompetente Informationen und Ratschläge für den schonenden Besuch des Schutzgebiets.

Daneben existieren niedrigere Kategorien von Schon- und Schutzgebieten. Eine, mit der gerade wir Bergsteiger oft in Berührung kommen, sind seit 1995 Wald-Wild-Schongebiete. Diese sind ein Konstrukt des Deutschen Alpenvereins. Mit deren Ausweisung sollen (Winter-)Tourengeher veranlasst werden, die auch in Alpenvereinskarten, in Tourenportalen wie alpenvereinaktiv.com und vor Ort durch Schilder gekennzeichneten Gebiete nicht oder nur innerhalb bestimmter Zeiträume zu betreten. Inzwischen sind 280 solcher Wald-Wild-Schongebiete für den bayerischen Alpenraum ausgewiesen. Anders als bei den gesetzlich normierten Schutzgebieten handelt es sich dabei aber nur um Empfehlungen – deren Nichtbeachtung hat rechtlich keine Konsequenz.

Erhalt der Bergwelt – als Grundlage unserer Leidenschaft

Ungeachtet dessen ist es dem Alpenverein München & Oberland ein großes Anliegen, die (Ski-)Bergsteiger für die Wald-Wild-Schongebiete und deren Bedeutung für Flora und Fauna zu sensibilisieren. So bemüht sich beispielsweise die Sektion München in ihrem Arbeitsgebiet an der Rotwand/am Spitzingsee, einem beliebten Tourengelände für Bergbegeisterte aus München und dem Umland, durch Infotafeln und mit freiwilligen, ehrenamtlichen Helfern die Bedeutung solcher Wald-Wild-Schongebiete an die Besucher zu vermitteln. Dies nicht nur deshalb, weil die Erhaltung der „Schönheit und Ursprünglichkeit der Bergwelt“ ein in der Satzung ausgewiesener Vereinszweck ist. Sondern besonders auch, weil durch eine solche freiwillige Rücksichtnahme Konflikte mit anderen, gleichrangigen Vereinszwecken, nämlich insbesondere der Förderung von „Bergsteigen und alpinen Sportarten“, vorausschauend vermieden werden können. Durch unseren freiwilligen kleinen Verzicht (dieser Begriff wird ja oft negativ assoziiert) schaffen wir die Grundlage, unsere Leidenschaft, das Gebirge und das Bergsteigen, hoffentlich auch zukünftig auf vielen anderen, attraktiven Touren (er-)leben zu können.

 Was die eingangs erwähnte tote Gams betrifft, sind wir zu dem Schluss gekommen, dass diese, unter Berücksichtigung des hohen Schutzstatus des Naturparks Karwendel und des eher einsamen Wegabschnitts, an welchem sie lag, wohl ein „natürliches“, jedenfalls nicht durch uns Besucher ihres Lebensraums verursachtes Lebensende gefunden haben dürfte. Damit das in unseren Bergen so bleibt, denken Sie bitte daran: „Was wir heute tun, entscheidet, wie die Welt morgen aussieht.“ (Boris Pasternak).


Für die Vorstände des Alpenvereins München & Oberland: Andreas Roth, im September 2021



 


Kommentare

Meinungen zum Wegweiser der Sektionsvorstände alpinwelt 4/2021

10.10.2021

Ohne Lenkungsmaßnahmen werden wir der Übernutzung nicht Herr werden. Softe Maßnahmen, wie der Rückbau von Wegweisern, um die Besucherströme zu kanalisieren, können ein erster Schritt sein. Ein zweiter, die Bergtour klimasensibel
zu gestalten durch Anreise mit Öffis; und ein angemessenes Verhältnis von Anreiseweg und Tourenzeit. Aber es wird letztlich nicht ohne Betretungsverbote gehen, wie sie jetzt schon in Nationalparks bestehen. Und ja, an die werden auch
wir erfahrene Bergfahrende; uns dann halten müssen – trotz des mitunter bestehenden Dünkels, wir seien mit dem Birkhuhn "auf Du und Du".

Name: Uwe Kranenpohl

08.10.2021

Leider halten sich viele Skitourengeher (und damit auch AV-Mitglieder) nicht an die Wegegebote in den Wald-Wild-Schongebieten (z. B. an der Benzingspitze und am Lempersberg). Es wäre sinnvoll, diesen Schongebieten einen gesetzlich normierten Status zuzuweisen, um auch Betretungsverbote und Sanktionen aussprechen zu können. Freiwilligkeit klappt bedauerlicherweise zu selten.

Name: Herbert Konnerth

07.10.2021

Ist der Verzicht nun freiwillig? Dann kann ja jeder frei nach seinem Willen entscheiden, ob er darauf verzichten möchte, bestimmte Wege zu gehen. Wenn aber die Vorstände als Vorstände die Mitglieder dazu aufrufen, zu verzichten, dann klingt das doch nicht ganz so frei. Es klingt nach einer richtigen, vom Vorstand gebilligten Entscheidung und einer anderen Entscheidung. Nun darf der Vorstand natürlich eine Meinung haben. Und es gehört zu seinen Aufgaben, auf die Satzung und ihre Ziele hinzuweisen. Aber er möge sich bitte nicht hinter dem Worte „freiwillig“ verstecken.

Sicherlich ist die Sache insoweit freiwillig, als der Staat (bislang noch) von Sanktionierung absieht. Aber der Vorstand lässt doch sehr deutlich erkennen, dass er bestimmte Formen der Bergnutzung für satzungsgemäß hält und andere nicht. Solche Formen sind also nicht staatlich sanktioniert, aber für ein rechtschaffenes, ordentliches Vereinsmitglied nicht denkbar, weil den Vereinszielen widersprechend. Das mag ja so sein. Aber dann möge man es bitte auch so sagen. Wenn man es so sagen würde, dann könnte man die Auslegung der Satzung kritisch hinterfragen.

Es gibt ja durchaus mehrere denkbare Wege, den Konflikt zwischen Vereinszwecken „Natürlichkeit der Bergwelt“ und „Förderung des Bergsports“ zu lösen. Es fängt bereits mit der Frage an, wie man Natürlichkeit definiert, und ob ein bergwandernder Mensch nicht ebenso ein Naturphänomen ist, wie eine Gemse. Aber selbst, wenn man der impliziten Annahme folgt, dass Bergsport notwendig „unnatürlich“ ist, stellt sich immer noch die Frage, ob des Aufgabe des Alpenvereins ist, die Abwägungsentscheidungen des Staates (hier ist ein Soundso-Gebiet und hier sollte Bergsport unterbleiben) unkritisch zu übernehmen und den Mitgliedern deren Befolgung als satzungsgemäß zu empfehlen.

Es wäre ja auch denkbar, dass der Alpenverein seine Satzung autonom auslegt und sagt: Lieber Gesetzgeber, wir haben als Satzungszweck auch die Förderung des Bergsports und denken, dass Du Dich irrst, wenn Du im Gebiet XY ein Soundso-Gebiet ausweist. Denn wir kennen das Gebiet XY seit 150 Jahren und pflegen dort die Wege und Hütten. Wir kennen es besser, als Du in München und wir sagen Dir: Die Natürlichkeit der Bergwelt ist dort prima in Ordnung. Behalt also Deine Schilder und kümmere Dich um Anderes.

Das scheint aber nicht als Alternative diskutiert zu werden. Stattdessen: Unkritische Übernahme staatlicher Handlungsempfehlungen. Keine Transparenz über Abwägungskriterien zwischen Vereinszwecken. Konfliktvermeidung, statt Austragen. Wie gesagt, vielleicht ist das alles sehr vernünftig, was der Vorstand hier empfiehlt. Aber eine eigene Meinung, des Vereins, die klar und transparent macht, wieso dort, wo der Staat (nicht bindende) Schilder aufstellt, deren Befolgung immer auch den Vereinszweck optimal verwirklicht, kann man durchaus vermissen.

Name: Christoph

07.10.2021

Tourengehen ist so ein naturverbundener, rücksichtsvoller Sport - ich bin nicht dabei.

Name: Johannes Diebig

07.10.2021

Schutzgebiete sind wichtig und sollten eher noch weiter ausgewiesen werden. Der DAV sollte aber
auch das Thema "Sanktionen" bei den zuständigen Stellen noch stärker einfordern. Aufklärung und Freiwilligkeit ist (auch) gut und wichtig, aber ohne Ordnungsstrafen geht es meiner Meinung nach nicht mehr. In der Schweiz gibt es das auch und dort funktioniert es auch, weil es schlicht ein paar hundert Franken kosten kann, wenn man eine Wildruhezone betritt. Und zum Thema "wer kontrolliert das dann?": in der Schweiz dürfen Wildhüter die Strafen verhängen, das ist sozusagen von der Polizei delegiert. Unschön - aber wenn ich die Realität und Ignoranz von (ein paar wenigen ?) sehe, geht es glaube ich nicht mehr anders.

Name: Wolfgang Behr

07.10.2021

Warum Reglementierungen durchsetzen, wenn diese absehbar später Ärger bereiten. Spitzingsee & Co sind Massentourismus-Ziel und das ist nicht zu vermeiden.

Name: Sautter